#1

Die Zeitreisenden

in Auszüge aus unseren Büchern 28.07.2022 15:18
von moriazwo • Federlibelle | 306 Beiträge | 1109 Punkte

Die Zeitreisenden
1. Die Ankunft


»Was hältst du von den beiden?«, fragte Sheriff Wayne Dunn seinen Deputy. Lawrance Cole sah durch die Scheibe zu dem Pärchen hinüber, dass sie splitternackt am Coyote Run am Ortsrand von Thedford aufgegriffen hatten.
»Keine Ahnung. Vielleicht sollten wir die Behörden in Omaha informieren.«
Dunn lachte humorlos. »Um denen zu demonstrieren, dass wir die Sache hier nicht im Griff haben? Was sollte ich denen auch sagen? Dass wir ein nacktes Pärchen an einer Durchgangsstraße aufgegriffen haben, ohne Papiere und nur mit einem kleinen Beutel voller rätselhafter Gegenstände?«
Cole deutete mit dem Kopf zu ihren Gefangenen, die stumm nebeneinander im Verhörraum saßen und einander nicht ansahen. »Sie sind merkwürdig, oder? Sehen aus, als wären sie einem Modemagazin entsprungen. Sie wirken weder wie Exhibitionisten, noch wie irgendwelche Verbrecher.«
»Bisher ergab der Abgleich mit den Fahndungslisten auch keine Ergebnisse. Aber was soll’s? Wir werden schon etwas aus ihnen herausbekommen.« Er erhob sich. »Kommst du mit rein, oder schaust du lieber von hier aus zu?«
Cole nippte an seinem Kaffee. »Lass mich mal hier sitzen. Ich kann dich später ablösen, wenn sie weiter so schweigsam sind.«
Dunn nickte und öffnete seufzend die Tür zum Nebenraum. Der Mann trug nun Hemd und Hose, die sie ihm gegeben hatten, um ihre Blößen zu bedecken, die Frau trug ein langes Hemd, das sie in der Taille mit einer Kordel zusammengebunden hatte und wie ein kurzes Kleid wirkte. Ihre langen, weißblonden Haare trug sie offen, wie einen dichten Vorhang um die Schultern, bis auf den Rücken.
»Haben Sie es sich überlegt?«, fragte er. »Wir haben eine Menge Zeit, wenn Sie sich weiterhin weigern, uns zu erzählen, wer Sie sind. Wollen Sie vielleicht einen Kaffee oder ein Wasser?«
Sie antworteten nicht.
»Nein? Mir soll es recht sein. Also: Wie sind Sie zu der Straße gekommen, an der wir Sie gefunden haben? Wo ist ihr Fahrzeug? Wo ihre Kleidung? Hat Sie jemand dort abgesetzt?«
Der Mann bewegte sich plötzlich. »Mein Name ist Brungk. Meine Begleiterin heißt Sequel. Wir wollten nicht unhöflich sein, mussten jedoch zunächst ihre Sprache erlernen. Die Analyse ist abgeschlossen. Wir können kommunizieren.«
Dunn öffnete seinen Mund, schloss ihn aber sogleich wieder. Einen Moment sah er verständnislos zwischen den beiden hin und her. »Sagen Sie, wollen Sie mich verarschen? Sie wollen mir erzählen, sie hätten unsere Sprache vorhin noch nicht verstanden, und jetzt reden Sie, als hätten Sie nie etwas anderes getan?«
»So ist es. Bei uns wird höchstens verbal kommuniziert, wenn es sich nicht vermeiden lässt, aber wir können es, wenn wir es gelernt haben. Ich danke Ihnen für ihre vielen verbalen Vorlagen, die Sie uns mit ihrem Kollegen gegeben haben. Den Rest konnten wir dann aus dem linguistischen Pool ergänzen, auf den wir Zugriff haben.«
Er hob seine Hände. »Hat es einen Grund, warum man uns diese Handfesseln angelegt hat?«
Dunn schüttelte den Kopf. »Zurück zum Thema. Sie sind also Brungk. Und weiter?«
»Wie? Ich heiße Brungk. Nur Brungk.«
»Und ich heiße nur Sequel«, sprach die Frau mit klarer, wohlklingender Stimme. »Aber wir sind nicht hier, um über Dinge zu sprechen, die Sie nicht verstehen. Wir sind Forscher und haben einen wichtigen Auftrag.«
»Forscher«, sagte Dunn skeptisch. »Haben Sie kürzlich mal in den Spiegel geschaut? Sie sind doch höchstens Mitte zwanzig und sehen aus, wie aus einem Modemagazin. Was können Sie schon erforschen?«
»Lassen Sie sich nicht von unserem Äußeren täuschen. Wir sind sicher älter als Sie vermuten, und wurden lange auf unsere Mission vorbereitet. Wir würden es begrüßen, wenn Sie uns helfen, einen bestimmten Ort zu finden.«
Dunn zog seine Brauen hoch. »Einen bestimmten Ort? Genauer geht’s wohl nicht? Sonst haben Sie keine Probleme? Ich werd Ihnen jetzt mal was sagen: Solange Sie solche Spielchen mit mir spielen, werden Sie nirgendwo hinkommen, Mr Brungk.«
»Einfach nur Brungk.«
Dunn schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Hören Sie endlich auf, mich zu veralbern!«
»Wir machen uns nicht über Sie lustig«, sagte Sequel. »Wir verstehen nur nicht, wieso es für Sie wichtig ist, unsere Identität zu kennen. Wir kannten uns vor unserem Erscheinen nicht und werden uns sicher nicht mehr wiedersehen, nachdem wir unsere Mission fortgesetzt haben.«
»Sie beide kosten mich den letzten Nerv, wissen Sie das? Sie sind verpflichtet, sich jederzeit, zumindest durch ihren Führerschein, ausweisen zu können. Ich bin berechtigt, Sie hier festzuhalten, bis wir diesen Punkt geklärt haben. Es liegt also an Ihnen, ob Sie mit uns zusammenarbeiten, oder unsere Arbeit behindern.«
Die beiden Fremden sahen Dunn nur an und schwiegen. Dunn trommelte nervös mit den Fingern auf dem Tisch. »Na gut. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir ihre Fingerabdrücke überprüft haben. Was denken Sie, was wir dann über Sie erfahren? Wenn Sie etwas zu sagen haben, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt.«
Es klopfte an der Tür und Cole steckte seinen Kopf herein. »Wayne? Kannst du mal kurz rauskommen?«
Dunn erhob sich und ließ seine Gefangenen allein im Verhörraum zurück. »Was gibt es denn?«
Cole hielt ihm einige Papiere entgegen. »Die Ergebnisse aus Omaha sind da. Sie werden dir nicht gefallen.«
Dunn griff sie und studierte sie. »Das gibt’s doch überhaupt nicht. Das muss ein Irrtum sein.«
»Ich hab eben noch mit dem FBI telefoniert. Sie bestehen darauf.«
Dunn schüttelte den Kopf. »Keine zwei Menschen auf der Erde haben exakt dieselben Fingerabdrücke. Nicht einmal bei Zwillingen gibt es das, und diese Zwei dort drinnen sind ganz sicher keine Zwillinge.«
Cole zuckte mit den Achseln. »Was willst du jetzt von mir hören? Du erwartest doch nicht, dass ich dir sagen kann, was hier los ist? Aber bist du dir sicher, dass wir sie tatsächlich festhalten können? Allein die Tatsache, dass wir nichts über sie wissen, macht sie nicht gleich zu Verbrechern.«
»Das weiß ich selbst! Trotzdem hab ich das Gefühl, dass mit den beiden etwas nicht stimmt. Sie können doch nicht von Himmel gefallen sein. Niemand hat sie kommen sehen und plötzlich stehen sie nackt an der Straße. Keine Papiere, kein Geld, nichts. Das gibt es doch nicht. Ich will wissen, was da los ist.«
»Dann wünsch ich dir viel Spaß«, sagte Cole grinsend. »Ich würd sie laufen lassen, mich entspannt zurücklehnen und sie vergessen.«
Dunn brummte etwas und öffnete die Tür zum Verhörraum. Brungk und Sequel saßen so da, wie sie gesessen hatten, als er den Raum verlassen hatte. Er setzte sich den beiden gegenüber und legte betont ruhig seine Hände auf die Tischplatte.
»Die Auswertung ihrer Fingerabdrücke liegt vor, und Sie können sich vermutlich denken, dass ich jetzt erst recht weitere Fragen an Sie habe.«
Sequel warf ihre langen, weißblonden Haare zurück und sah ihn irritiert an. »Und aus welchem Grund?«
»Weil Sie beide exakt identische Fingerabdrücke besitzen. Keine zwei Menschen auf diesem Planeten haben dieselben Fingerabdrücke. Erklären Sie mir, warum das bei Ihnen anders ist.«
»Ich denke, Sie gehen von falschen Prämissen aus. Sagen wir einfach, wir sind nicht hier aus der Gegend. Wo wir herkommen, sind identische Fingersignaturen ein Zeichen für Zusammengehörigkeit. Wir wurden als biologisches Konzept geschaffen, weil unsere Forschung uns lange Zeit von unseren Bezugsgruppen trennen wird, und ein Paar als kleinstes Konzept die größte Wahrscheinlichkeit auf Erfolg verspricht.«
Sheriff Dunn sah sie an, als wäre sie ein Geist. »Was zum Henker erzählen Sie mir da? Das ist doch alles Bullshit! Ich will endlich wissen, woher Sie kommen und was Sie vorhaben.«
Sequel sah Brungk an, und Dunn war sicher, dass sie so etwas wie einen nonverbalen Dialog führten. Schließlich nickte Brungk und Sequel wandte sich ihm wieder zu. »Wir sind bereit, Ihnen alles zu erzählen, auch wenn wir glauben, dass Sie es nicht verstehen oder zumindest nicht glauben werden.«
Dunn lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Sie können es ja mal versuchen.«
»Wir haben einen weiten Weg hinter uns. Wir sind Menschen, stammen jedoch nicht von dieser Welt, die ihr Erde nennt. Unsere Geburtswelt trägt den Namen Lorana und ist viele Lichtjahre von hier entfernt. Ich könnte Ihnen die genaue Position nennen, aber ich fürchte, das würde Ihnen nicht viel sagen. Unsere Heimat ist nicht nur weit von hier entfernt, sie liegt auch in einer Zeit, die aus ihrer Sicht in einer weit entfernten Zukunft liegt. Wir können Ihnen leider nicht genau sagen, wie viele ihrer Jahre das sind, da die Zeitrechnungen im Laufe der Zeitalter oft gewechselt wurden. Unsere Techniker wissen es sicher, aber da das für unsere Mission irrelevant ist, sind wir nicht sicher.«
Sheriff Dunn starrte sie mit offenem Mund an. »Sagen Sie, wollen Sie mich testen? Erscheint hier gleich ein Kamerateam von Kanal 9 und ich werde vor Millionen Zuschauern als Depp der Nation vorgestellt?«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
»Na hören Sie! Sie tischen mir eine so verrückte Geschichte auf und verlangen, dass ich Ihnen das abnehme? Aber okay, ich spiele ihr Spiel mal eine Weile mit. Sie kommen also von einem weit entfernten Planeten und aus einer Zeit, die viele Jahre in der Zukunft liegt. Hab ich das so weit richtig verstanden?«
»So ist es.«
»Dann sind Sie so etwas wie Aliens?«
Sequel überlegte einen Moment. »Wenn Sie damit meinen, dass wir eine fremde Lebensform darstellen, ist das falsch. Wir sind Menschen wie Sie ... oder besser: ähnlich wie Sie.«
»Und was macht den Unterschied aus?«, fragte Dunn, inzwischen gelangweilt.
»Sie stellen die archaische Form des Menschen unserer frühen Vorfahren dar. Wir besitzen ein optimiertes genetisches Gerüst und sicher einige Fähigkeiten, über die Sie nicht verfügen. Allerdings sind wir von der Reise noch etwas geschwächt und können das Potenzial nicht voll ausschöpfen. Das ist auch der Grund, aus dem wir ihre Hilfe benötigen.«
Dunn nickte. »Das können Sie laut sagen. Sie brauchen verdammt Hilfe, wenn Sie von dem überzeugt sind, was Sie erzählen. Fangen wir noch einmal dort an, wo sie nackt an der Straße gestanden haben. Wieso überhaupt nackt, und wo ist ihre Kleidung geblieben? Sie sind doch sicher nicht völlig nackt gestartet, von wo Sie gekommen sind.«
Sequel lächelte zum ersten Mal. »Oh doch. Es ist zu gefährlich, körperfremde Dinge mit in das Zeitfeld zu nehmen. Wir mussten so kommen, wie wir geschaffen wurden.«
»Zeitfeld. Klar. Dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin. Scottie hat Sie also quasi nackt durch die Zeit in unsere Welt gebeamt, und schon stehen Sie entspannt an unserer Durchgangsstraße.«
»Wer ist Scottie?«
Dunn winkte ab. »Ich geb ’s auf. Sie ziehen das Ding wirklich durch bis zum Schluss, was? Aber mal im Ernst: Sie hatten ihren Spaß. Gegen Sie liegt im Grunde nichts vor. Ich hab nur ein Problem damit, dass ihre Fingerabdrücke identisch sind. Dafür muss es doch einen nachvollziehbaren Grund geben. Wie macht man so was? Und warum?«
»Hab ich doch erklärt: ein Zeichen für Zusammengehörigkeit. Brungk und ich wurden als Paar geschickt. Wir sind vollständig kompatibel und fungieren als Einheit. Nur wir können untereinander in Gedanken miteinander sprechen und unseren Geist miteinander verschmelzen.«
Der Sheriff schüttelte den Kopf. »Mir wird das allmählich zu bunt. Aber wenn Sie sich schon so ein vollständiges Szenario ausgedacht haben, können Sie mir ja sicher erklären, wie man so einfach durch die Zeit hierher geschickt werden kann, oder?«
Er sah die beiden auffordernd an.
Sequel nickte ihrem Partner zu, der das Wort ergriff: »Wir haben nicht gesagt, dass es einfach war. Im Gegenteil. Es hat uns Jahre gekostet, diese Welt so genau zu treffen. Viele vor uns sind bei dem Versuch gestorben. Sie haben völlig falsche Vorstellungen davon, wie eine Zeitreise funktioniert. Sie stellen sich vor, wir hätten an einer identischen Stelle in der Zukunft gestanden und wären nur zurückgereist. Im weitesten Sinne ist das sogar korrekt, weil eine Reise durch die Zeit eben nicht gleichzeitig auch eine Reise durch den Raum darstellt. Sie ahnen nicht, wie viel Bewegung in jedem einzelnen Staubkorn dieses Planeten steckt. Er dreht sich um sich selbst, umkreist seine Sonne, die wiederum das galaktische Zentrum umkreist. Die Galaxis steht auch nicht still, sondern ist Bestandteil einer lokalen Gruppe von Galaxien, die in ihrer Gesamtheit um einen Superhaufen von über zweitausend Galaxien rotiert. Können Sie sich vorstellen, welche Rechenleistung erforderlich ist, herauszufinden, an welcher Position ihr Planet rund zwei Millionen Jahre vor unserer ursprünglichen Gegenwart gestanden hat? Uns reichte dabei keine grobe Schätzung, sondern wir brauchten das Ziel bis auf wenige Zentimeter genau, sonst wären wir entweder im All oder mitten im Planeten herausgekommen. Wir fürchten, dass es einigen unserer Vorgänger so ergangen ist, denn wir erhielten nie eine Nachricht von ihnen.«
Dunn lachte leise. »Sie wollen also zwei Millionen Jahre aus der Zukunft kommen? Willkommen in Thedford, dem Treffpunkt der Zeitalter. Was wollen Sie trinken?«
»Was wir trinken wollen?«
»Leute, das nennen wir archaischen Alten Ironie. Vermutlich kennt man das in zwei Millionen Jahren nicht mehr.«
»Sie glauben uns noch immer nicht.«
»Und das wundert Sie? Ihre Geschichte wird von Mal zu Mal haarsträubender. Es fällt mir zunehmend schwerer, sie ernst zu nehmen. Vielleicht sollte sich ein Psychologe mit Ihnen befassen, denn ganz normal kommen Sie mir nicht vor.«
»ihre Sorge ist unbegründet, Sheriff Dunn. Wir sind im Vollbesitz unserer geistigen Kräfte und bald werden wir auch stark genug sein, uns zu verschmelzen. Wenn das der Fall ist, werden wir ihre Hilfe nicht mehr benötigen und Sie auch nicht länger in Anspruch nehmen.«
Sequel lächelte und streifte wie beiläufig ihre Handfessel ab. Ruhig legte sie die offenen Handschellen vor Dunn auf den Tisch. »Eine interessante, mechanische Spielerei, diese Handfesseln. Sie wurden unbequem. Es ist Ihnen doch recht, wenn ich sie ablege?«
»Zum Kuckuck ...!« Dunn fielen fast die Augen aus den Höhlen. »Wie haben Sie das angestellt?«
»Es war doch nur ein mechanischer Verschluss. Wir spüren, dass Sie sich in unserer Anwesenheit unwohl fühlen. Das müssen Sie nicht. Wir sind nicht gekommen, um jemandem etwas zuleide zu tun. Im Gegenteil. Wir sind nur hier, weil es auf ihrer Welt und ihn ihrem Zeitalter, historischen Unterlagen zufolge, etwas geben muss, dass wir dringend finden und von hier wegschaffen oder unschädlich machen müssen. Es ist wichtig.«
»Sie kommen also aus der fernsten Zukunft zu uns, weil wir etwas besitzen, das Sie unbedingt benötigen? Dass ich nicht lache!«
Sequel lächelte süffisant. »Halten Sie mich bitte nicht für arrogant, aber es hat vermutlich wenig Zweck, Sie weiter in unsere Aufgaben einzuweihen. Es würde uns jedoch helfen, wenn Sie uns verraten, welches Jahr wir haben und nach welcher Zeitrechnung es gezählt wurde.«
»Bitte was?«, fragte Dunn verblüfft. »Das kann doch nicht ihr Ernst sein. Sie wirken auf mich wie zwei äußerst wache Menschen. Und Sie wollen nicht wissen, welches Datum wir haben?«
»Bitte«, sagte Sequel, die inzwischen das Reden der beiden vollständig übernommen hatte. »Sie würden mir damit wirklich helfen. Wir haben einen sehr weiten Weg hinter uns und da kommt es durchaus zu gewissen Unschärfen. Wir hatten gewaltiges Glück, im richtigen Moment die Oberfläche des Planeten zu treffen. Daher vermute ich, dass wir noch im Plan sind. Wir wissen es aber nicht genau. Also?«
Der Sheriff presste seine Lippen zusammen. »Von mir aus. Wir haben den 17. März 2024.«
Die beiden blickten sich kurz an, sagten jedoch nichts. Dunn vermutete, dass sie wieder in Gedanken miteinander sprachen.
»Gut 2024. Und nach welcher Zeitrechnung? Was war vor 2024 Jahren?«
»Na, Christi Geburt. Was sonst?«
Sequels Lächeln wurde breiter. »Das hatten wir gehofft. Die Zeit stimmt, der Planet auch - jetzt müssen wir es nur noch finden.«
»Was finden? Worum geht es überhaupt?«
»Besser, Sie wissen es nicht.«
Dunn schlug mit beiden Händen auf den Tisch und erhob sich. »Ich hab jetzt endgültig die Schnauze voll von Ihnen beiden. Ich kann es auf den Tod hassen, wenn man mich nicht für voll nimmt und mich zu veralbern versucht. Ich lasse Sie jetzt eine Weile allein. Sie können sich ja dann überlegen, ob Sie mir nicht noch etwas zu erzählen haben.«
Er verließ den Verhörraum und schlug die Tür lautstark hinter sich zu. Draußen atmete er ein paar Mal tief durch und sah seinen Deputy an, der die ganze Zeit über hinter der einseitig durchsichtigen Scheibe gesessen und dem Gespräch im Verhörraum zugehört hatte.
»Und was jetzt?«, fragte Cole.
»Ich halte diese Idioten fest, bis ich sie weich gekocht habe. Die spielen ein Spiel mit mir, und so was kann ich nicht leiden.«
»Rein rechtlich können wir das nicht, Chef. Abgesehen davon, dass wir sie wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses dranbekommen können, haben wir nichts in der Hand. Sie sind nicht verpflichtet, Papiere mitzuführen.«
»Nicht mal einen Führerschein?«, fragte Dunn aufgebracht.
Cole hob hilflos seine Arme. »Und wenn sie keinen besitzen? Man kann ja niemanden zwingen, eine Fahrerlaubnis zu erwerben.«
»Weiß ich selbst. Ich versteh auch nicht, wieso die mir so einen Schwachsinn auftischen müssen. Aber da ist immer noch die Frage, wieso sie identische Fingerabdrücke haben. Haben sie womöglich sogar die Wahrheit gesagt?«
Cole lachte leise. »Chef, die werden Sie doch nicht mit diesen Räuberpistolen überzeugt haben?«
Dunn schüttelte den Kopf. »Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich denken soll. Sie machen in ihrer Geschichte einfach keine Fehler. Entweder ist sie einfach nur gut durchdacht und konsequent erzählt, oder es ist so, wie sie behaupten.«
»Wayne, ich hab dein Gespräch von hier aus mitverfolgt. Diese Sequel ist sicher eine äußerst heiße Frau, aber lass dich von der doch nicht einwickeln. Ich hab auch keine Ahnung, welche Ziele die beiden verfolgen, aber ich hab nicht das Gefühl, sie würden mit offenen Karten spielen.«
»Vielleicht sollten wir uns Unterstützung aus Omaha holen.«
»Damit uns die gesamte Polizei des Staates auslacht?«
Dunn blickte durch die Scheibe, wo die beiden sich nun gegenübersaßen und ihre Köpfe mit ihren Stirnen aneinanderdrückten. »Hey, was machen die den jetzt?«
Er sprang auf und öffnete die Tür zum Verhörraum. »Was tun Sie da?«
Sequel und Brungk reagierten nicht, worauf Dunn zu ihnen trat, um sie voneinander zu trennen.
Als er sie berührte, erschien es ihm, als stürze er in ein tiefes, dunkles Loch. Die Welt um ihn versank und nur noch Dunkelheit umgab ihn. Das Gefühl des Fallens war unangenehm, und in seiner Vorstellung ruderte mit Armen und Beinen, um Halt zu finden. Sein Gefühl für Zeit und Raum ging verloren und er hatte keine Idee, wie lange es bereits dauerte, als er die Gegenwart von zwei Persönlichkeiten wahrnahm.
»Hallo?«, rief er. »Ist da jemand?«
»Entspann dich«, ertönte es direkt in seinem Geist. »Es ist gleich vorbei.«
Im nächsten Moment befand er sich in einem fensterlosen Zimmer, dessen Decke und Wände Licht ausstrahlten. Er saß in einem bequemen Sessel und ihm gegenüber saßen Sequel und Brungk - jeder in einem ähnlichen Sessel wie er. Sie lächelten ihm zu. Sequel beugte sich etwas nach vorn. »Wir haben unsere vollen geistigen Kräfte inzwischen zurückerlangt. Da es uns nicht gelungen ist, dich mit Worten zu überzeugen, haben wir uns entschlossen, dich für einen Moment in unseren geistigen Zusammenschluss einzuladen. Es ist vielleicht einfacher, dich zu überzeugen, dass wir die sind, die wir zu sein vorgeben.« Sie sah ihn prüfend an. »Alles in Ordnung?«
»Ob alles in Ordnung ist?«, fragte Dunn schrill. Hektisch blickte er sich um. Er verstand nicht, was soeben mit ihm geschehen war. »Überhaupt nichts ist in Ordnung. Was habt ihr mit mir angestellt? Ich will sofort zurück in den Verhörraum! Sofort!«
»Beruhige dich«, sagte Sequel sanft. »Dir wird nichts geschehen. Wir haben uns lediglich entschlossen, dir zu zeigen, dass du es nicht mit zwei Verrückten zu tun hast. Wir hatten nämlich den Eindruck, dass du uns kein Wort von dem glaubst, das wir dir erzählt haben.«
Dunn schnappte nach Luft. Er hatte sich immer für einen Menschen gehalten, den nichts leicht erschüttern konnte, doch jetzt spürte er aufkeimende Panik, wie er sie noch nie erlebt hatte. »Wer zum Henker seid ihr? Was wollt ihr von mir?«
Seine Augen wanderten hektisch durch den Raum. Er suchte krampfhaft nach einer Fluchtmöglichkeit. Als hätte Sequel seine Gedanken gelesen, sagte sie: »Du brauchst nicht vor uns zu fliehen. Deine Angst ist unbegründet. Wir haben diesen Raum eigens geschaffen, um uns mit dir ungestört unterhalten zu können. Natürlich hätten wir es auch in der realen Umgebung tun können, doch - wenn wir ehrlich sind - hat uns dein Kollege Cole hinter der Spiegelwand irritiert. Hier sind wir ungestört.«


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#2

RE: Die Zeitreisenden

in Auszüge aus unseren Büchern 29.07.2022 14:35
von Bree • Federlibelle | 4.138 Beiträge | 16505 Punkte

Lieber @moriazwo

ich liebe Zeitreisegeschichten, besonders, wenn sie so gut geschrieben sind wie diese hier. Chapeau, mein Lieber!
Der Anfang macht neugierig und reizt zum Weiterlesen. Kein Wunder, dass sich die Story so gut verkauft.
Mich würde noch interessieren, ob man z. B. an den Gesichtern der beiden sieht, ob sie "echt" sind oder nicht. Auch Dunn wird z. B. wissen, dass Gesichter nicht zu 100 % symmetrisch sind. Wenn die Gesichter dieses Pärchens es jedoch sind, so gleichmäßig und eben wie Barbie-Puppen, könnte das für ihn neben den Fingerabdrücken ein weitere Hinweis sein, dass sie die Wahrheit sagen.

Zwei Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:

Zitat von moriazwo im Beitrag #1
Ich kann es auf den Tod hassen, wenn man mich nicht für voll nimmt und mich zu veralbern versucht.

Diese Formulierung klingt ein wenig unglücklich. "Ich kann es (auf den Tod) nicht ausstehen, wenn ..." oder "Ich hasse es, wenn ..." hört sich für mich besser an.

Zitat von moriazwo im Beitrag #1
Cole lachte leise. »Chef, die werden Sie doch nicht mit diesen Räuberpistolen überzeugt haben?«
Dunn schüttelte den Kopf. »Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich denken soll. Sie machen in ihrer Geschichte einfach keine Fehler. Entweder ist sie einfach nur gut durchdacht und konsequent erzählt, oder es ist so, wie sie behaupten.«
»Wayne, ich hab dein Gespräch von hier aus mitverfolgt.

Bis auf Cole ist doch kein anderer dabei, richtig? Dann finde ich es seltsam, wenn er ihn erst siezt und dann duzt. Vermutlich ein Versehen deinerseits, das sich schnell ausmerzen lässt.

Beim Titel der Geschichte weiß man natürlich gleich, wer bzw. was die zwei sind. Hättest du einen anderen, weniger verräterischen Titel gewählt, würde man als Leser etwas länger rätseln, was es mit ihnen auf sich hat. Aber das nur nebenbei.
Die Story ist sehr flüssig und unterhaltsam geschrieben, einzig dieser Teil hier
Zitat von moriazwo im Beitrag #1
Sie haben völlig falsche Vorstellungen davon, wie eine Zeitreise funktioniert. Sie stellen sich vor, wir hätten an einer identischen Stelle in der Zukunft gestanden und wären nur zurückgereist. Im weitesten Sinne ist das sogar korrekt, weil eine Reise durch die Zeit eben nicht gleichzeitig auch eine Reise durch den Raum darstellt. Sie ahnen nicht, wie viel Bewegung in jedem einzelnen Staubkorn dieses Planeten steckt. Er dreht sich um sich selbst, umkreist seine Sonne, die wiederum das galaktische Zentrum umkreist. Die Galaxis steht auch nicht still, sondern ist Bestandteil einer lokalen Gruppe von Galaxien, die in ihrer Gesamtheit um einen Superhaufen von über zweitausend Galaxien rotiert. Können Sie sich vorstellen, welche Rechenleistung erforderlich ist, herauszufinden, an welcher Position ihr Planet rund zwei Millionen Jahre vor unserer ursprünglichen Gegenwart gestanden hat?

war mir persönlich wieder ein bisschen too much. Einen Großteil davon vergesse ich gleich wieder. Aber ich bin ja auch kein typischer Sci-Fi-Leser ...

Fazit: Toll geschrieben, spannender Plot - gerne mehr!

LG
Bree


Der Kriminalschriftsteller ist eine Spinne, die die Fliege bereits hat, bevor sie das Netz um sie herum webt.
(Sir Arthur Conan Doyle)

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Alles über meine Bücher & mich findet ihr auf meiner Website: www.brittabendixen.de
Einen eigenen Youtube-Kanal habe ich auch. Dort lese ich einige meine Geschichten.
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#3

RE: Die Zeitreisenden

in Auszüge aus unseren Büchern 29.07.2022 15:39
von moriazwo • Federlibelle | 306 Beiträge | 1109 Punkte

@Bree
Danke für das Feedback. Dass Dunn seinen Deputy erst siezt und dann duzt, ist tatsächlich ein Versehen. Die beiden arbeiten schon lange zusammen und sind im Grunde befreundet. Das "Sie" vergesse ich ganz schnell wieder und werde es aus dem Mastertext tilgen.
Wie Barbiepuppen sind die beiden tatsächlich nicht. Sie wurden in der Zukunft zwar gezüchtet, aber sie wuchsen aus Kindern heran, bis sie alt genug waren, auf ihre Mission entsandt zu werden.

Zitat
war mir persönlich wieder ein bisschen too much. Einen Großteil davon vergesse ich gleich wieder. Aber ich bin ja auch kein typischer Sci-Fi-Leser ...

Ja ich weiß, du findest, dass ich oft zu technisch denke und das dann auch rüberbringe. Ich finde aber dennoch, dass ich es so im Text belasse. Tatsächlich ist es so, dass die meisten Menschen eine völlig falsche Vorstellung davon haben. Nehmen wir den guten alten Film "Die Zeitmaschine". Da sitzt der Protagonist in seiner Maschine und schaut zu, wie während seiner Reise durch die Zeit die Welt sich an exakt dieser Stelle verändert.
Das wäre eben nur dann möglich, wenn jeder Punkt auf dieser Erde völlig ortsgebunden wäre und für alle Zeiten stillstehen würde. Leider ist es nicht so. Ganz im Gegenteil:
Da die Erde sich in 24 Stunden einmal um ihre Achse dreht, bewegt sich jeder Punkt am Äquator mit einer Geschwindigkeit von rund 463 m/sec um den Erdmittelpunkt.
Die Erde wiederum kreist um die Sonne. Der Abstand zur Sonne beträgt im Mittel 149,6 Millionen Km und es dauert ein Jahr, sie zu umkreisen. Es kommt also noch eine Geschwindigkeit von 29.806 m/sec auf einer anderen Bahn hinzu.
Und es geht immer weiter: Unser Sonnensystem ist Bestandteil der Milchstraße, die ebenfalls rotiert. Der Abstand zum Zentrum beträgt ca. 28.000 Lichtjahre und in 250 Millionen Jahren ist eine Umkreisung abgeschlossen. Daraus ergibt sich ein weiterer Vektor und eine Geschwindigkeit von 266.777 m/sec.
Eine Reise nur durch die Zeit würde also nicht in der Zukunft oder Vergangenheit eines Ortes auf der Erde herauskommen, sondern irgendwo im All. Wollte man also eine Zeitreise antreten, wie man sie in Filmen sieht, müsste man einmal auf der Zeitebene reisen und zusätzlich auch durch den Raum, um den Ort exakt dort zu treffen, wo er sich am gewünschten Zeitpunkt befunden hat - oder befinden wird. Ich wollte darstellen, wie kompliziert es ist, so etwas auszurechnen.

Du schreibst "gerne mehr". Ist dieser Thread denn dazu geeignet? Ich hatte es so verstanden, dass hier nur Leseproben gepostet werden sollen. Natürlich kann ich mehr posten, wenn es verlangt wird ...


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zuletzt bearbeitet 29.07.2022 15:49 | nach oben springen

#4

RE: Die Zeitreisenden

in Auszüge aus unseren Büchern 30.07.2022 00:00
von blauer Granit • Federlibelle | 685 Beiträge | 3386 Punkte

@moria
Ich finde die Geschichte super. Den technischen Teil hätte ich etwas gekürzt. aber ich finde die umsetzung der " Zeitreisenidee" frisch und originell.
Liebe Grüße, blauer Granit


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